Sunday, January 4, 2009

Unternehmungen, um schwanger zu werden

Welche Unternehmungen haben Sie bislang unternommen, um schwanger zu werden?“ fragt uns die Ärztin im Minirock aus dem Babywunschzentrum und sieht uns mit gezücktem Kugelschreiber interessiert an. Sie ist Deutsch-Türkin und sieht hübsch und sympathisch aus.

Meine Gynäkologin nennt es Sterilitätsklinik. Das trifft es besser, aber die wissen hier schon, warum sie sich so nicht nennen. Babywunschzentrum klingt irgendwie hoffnungsfroher und positiver, nicht so nach Krankheit und Versagen.

Mein Freund schweigt ratlos. Ich bin mir auch unsicher, beschließe jedoch, es einmal mit dem nahe Liegenden zu versuchen. Wir können hier schließlich nicht ewig sitzen bleiben und uns dieser Inquisition unterziehen: „Wir haben zusammen geschlafen“, versuche ich, unsere Unternehmungen möglichst kurz und präzise zusammenzufassen.

„Gut“, sagt die schicke Ärztin. Sie sieht zufrieden aus und macht sich rasch ein paar Notizen. Ich frage mich, was sie wohl notiert:“ Patienten haben die Herausforderungen, die mit ihrer Aufgabe verbunden sind, in Grundzügen verstanden“? Inzwischen würde ich mich auch nicht mehr wundern, wenn es Paare gäbe, die nach intensivem Studium der Fachliteratur und der Tipps auf Internetseiten zum Thema Kinderwunsch jahrelang Mönchspfeffer geschluckt und Hormone gespritzt, aber über all dem Stress den Beischlaf vergessen haben.

Mir fällt nach den offensichtlichen Zustimmungsbekundungen zu unseren Unternehmungen dennoch ein Stein von Herzen. Ihm auch, wie er mir hinterher anvertraut. Er meinte, er hätte sich nicht gewundert, wenn sie mit verzerrten Gesichtszügen „Nein, ganz falsch!“ gerufen und dabei drohend mit ihrem Kugelschreiber die Luft durchbohrt hätte.

Immerhin verdanken wir diesem Besuch, dass die zunächst technisch anmutende Aufforderung Unternehmungen zu unternehmen bei uns die Qualität eines erotischen Lockrufs erlangt hat. Wer hätte das gedacht?

Die schwierige und meist langwierige Suche nach einem geeigneten Mann wird der modernen Frau um die Dreißig inzwischen durch allerlei unterhaltsame Literatur, Filme und Fernsehserien versüßt und erleichtert, ja fast schon zu einem aufregenden und angenehmen Abenteuer gemacht. Die mit Zeitgeist schwer beladenen Werke zeichnen das Bild schöner, humorvoller, intelligenter, unabhängiger und reichlich mit besten Freundinnen und liebevollen Weggefährten aller Art ausgestatteter Frauen, die sich - umgeben von Männern, die entweder beziehungsunwillig sind, unfähig, Frauen zu lieben, die es beruflich und intellektuell mit ihnen aufnehmen können, oder schwul - zwar gelegentlich vor einem Dasein als einsame, alte Jungfer fürchten, es in der Regel jedoch prächtig verstehen, sich im Kreis ihrer Freunde mit Alkohol, Partys, sexuellen Abenteuern und beruflichen Erfolgen von diesem drohenden Schicksal abzulenken. Meist findet sich am Ende der Geschichten nach vielen romantischen Irrungen und Wirrungen doch noch irgendwie der Richtige. Oder jedenfalls irgendeiner.

Ich muss gestehen, dass mir diese Geschichten gefallen. Ich konnte mich auch oft genug mit ihnen identifizieren. Zwar stellten sich berufliche Erfolge und Sexualpartner bei meinen Freundinnen und mir nicht mit der gleichen Frequenz und Qualität ein, und die Enttäuschungen mit getrennt lebenden Vätern, denen kein hoffnungsvoller Neuanfang mit einer neuen Frau gelingen will, oder allein stehenden Männern, denen man versäumt hat zu erklären, dass die Emanzipation auch ihr Leben im Vergleich zu dem ihrer Väter verändern würde, sind schmerzhafter und prosaischer als es die Werke über moderne Großstädterinnen aus Film und Unterhaltungsliteratur nahelegen. Doch bei all den Schwierigkeiten und Verletzungen hatte unsere Jagd auf Männer doch etwas Leichtlebiges, Vergnügliches. Ja, wir hatten Angst, allein stehend und einsam zu enden, aber die Rolle als freie und unabhängige Pionierinnen in einem Großstadtdschungel voller Abenteuer und Fallstricke gefiel uns doch.

Was ich diesen Büchern und Filmen vorwerfe, ist, dass sie sich darüber ausschweigen, was auf uns lauert, wenn wir nach langen, verschlungenen Wegen einen Mann gefunden haben. Auch wenn sich diese Werke als modern gerieren, indem sie das Bild im Großen und Ganzen glücklicher, unabhängiger Frauen zeichnen, was das Ende angeht, unterscheiden sie sich durch nichts von alten Hollywoodschinken: Sie enden romantisch vor dem Traualtar und verschweigen dabei das profane Auf und Ab der Ehe, das folgt.

In der modernen Version gelingt es der Heldin in der Regel, in einem Meer aus unreifen Beziehungspanikern nach langer, mühevoller Suche, einen erwachsenen und liebevollen Mann zu finden. Und selbst, wenn dies nicht gelingt, enden die Geschichten, solange ihre Heldinnen noch jung, schön, voller Schaffenskraft und gebärfähig sind. Dem Schicksal, neben einem beruflich erfolgreichen, aber langweiligen Mann mit unverschämten Gören in einem Vorstadthaus mit Garten zu enden, kommt allenfalls eine antithetische Nebenrolle zu. Dass die schöneren, abenteuerlustigeren und erfolgsverwöhnten Heldinnen dieser Geschichten sich nach ihrer feucht-fröhlichen, aber langwierigen Suche nach einem geeigneten Beau womöglich auf eine noch steinigere Jagd nach ihren letzten noch einsatzfähigen Eizellen machen müssen, oder - nicht selten - den letzten noch lebensfähigen Spermien das Beaus, der vor der glücklichen Vereinigung meist auch kein Kind von Traurigkeit oder Gegner des übermäßigen Alkoholkonsums war, das deuten diese Geschichten gelegentlich an. Anders als bei den verschlungenen Liebesabenteuern und den bitteren Enttäuschungen, die zu dem richtigen Mann führen sollen, unterlassen es die Macher moderner, weiblicher Großstadtmythen jedoch, diesen zweiten, häufig viel steinigeren Weg zu besingen, seine Facetten auszuleuchten, seine Höhen und Tiefen zu ergründen, seine tragischen und dramatischen Seiten zu beweinen und seine Absurditäten zur allgemeinen Belustigung darzustellen.

So erfährt das Publikum niemals in der gebührenden Klarheit, was es bedeutet, sich unter dem Druck des eigenen Leistungswillens, panischer Internetforendiskutantinnen, mißbilligender Mitmenschen und einer geldhungrigen Fortpflanzungsindustrie, die sich die tiefsten Ängste planvoll vorgehender Mitdreißigerinnen zu Nutze macht, dem Wettlauf gegen die Menopause zu stellen. Wahrscheinlich entsteht diese Lücke, weil die Medien davon ausgehen, die Suche nach einer erfolgreichen Vereinigung von Ei- und Samenzelle kurz vor Toresschluss sei weniger witzig, romantisch oder erotisch als das vorangegangene Bemühen um die glückliche Vereinigung von Mann und Frau. Dabei vergessen sie, wie offenbar auch einige Kunden unserer Sterilitätsklinik, dass noch kein Kind so ganz ohne Erotik auf die Welt gekommen ist. Na ja, jedenfalls nicht ohne Sex. Und sex sells. Zudem sind mit Panik erlebte Erfahrungen, über die nur hinter vorgehaltener Hand erzählt wird, ein fruchtbarer Nährboden nicht nur für Tragik und Dramatik, sondern auch für Kuriositäten und Absurditäten.

Diesen vernachlässigten Abenteuern, wollen sich diese Seiten widmen...

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